Sicherheitsglas (2)
Einscheiben-Sicherheitsglas, thermisch vorgespannt, kurz „ESG“
Die ÖNORM EN 12150-1, Glas im Bauwesen - Thermisch vorgespanntes Kalknatron – Einscheiben – Sicherheitsglas, Teil 1: Definition und Beschreibung beschreibt die Produkteigenschaften und die Herstellung von ESG.
Die Herstellung von ESG lässt sich wie folgt beschreiben:
• Das Glas wird zugeschnitten
• Die Kanten des Glases werden bearbeitet
• Jegliche Bearbeitungen für Formgebung (Lochbohrungen, Ausschnitte, etc.) sowie
• Oberflächenbearbeitungen (z. B. Sandstrahlung etc.) werden erstellt
Nachdem das Glas seine letztendliche Form erhalten hat, kommt es in einen Vorspannofen, in dem das Glas auf seinen Transformationsbereich (Erweichungstemperatur, ca. 600°C) erwärmt wird.
Danach wird das Glas meist durch starke Gebläse gleichzeitig an beiden Oberflächen schnell abgekühlt. Damit bleibt der Kern des Glases noch weich (heiß), während die Oberflächen bereits fest (abgekühlt) sind.
Durch die spätere Abkühlung des Kerns nach den Oberflächen entstehen Zug- und Druckspannungen zwischen Kern und Oberfläche – thermisch vorgespanntes Glas ist entstanden. Es klingt einfach, ist aber komplex, da die Parameter Temperatur, Gebläse- und Ofengeschwindigkeit je nach Geometrie der Gläser und wechselnden Glasstärken angepasst werden müssen.
Die wesentlichen Vorteile von ESG zu normalem Glas sind erhöhte Schlagfestigkeit (an den Oberflächen) und erhöhte Temperaturwechselbeständigkeit.
Im Bruchfall springt ESG komplett und meist mit einem lauten Knall. Je nach Einbau der Scheiben fallen die Bruchstücke in sich zusammen oder verbleiben im Rahmen.
Bild rechts:
Zerstörtes ESG,
Scheibenabmessungen
ca. 1 x 1 Meter
Zum Größenvergleich sind in Rot die Abmessungen eines DIN A4-Blattes in der Fläche dargestellt. Rechts oben: Detailaufnahme des Bruchbildes (Kantenlänge des Rechteckes ca. 3 cm)
Die Bruchstücke bei ESG sind wesentlich kleiner und stumpfkantiger (Größe meist unter 1 cm Kantenlänge) als bei nicht vorgespanntem Glas (siehe Konsumenten-Tipp 7). Schwere Verletzungen durch das Versagen von ESG können zwar nicht ausgeschlossen werden, da manche Bruchstücke bis zu Handtellergroße zusammenhängende Schollen bilden können. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch wesentlich reduzierter gegenüber normal gekühltem Glas.
Ein Nachteil des ESG ist der sogenannte „Spontanbruch“. Dabei wird der Glasbruch durch einen (vorher nicht erkennbaren) Fremdkörper und seine Auswirkungen auf die Glasspannung quasi von innen heraus ausgelöst.
Um diese Wahrscheinlichkeit eines Spontanbruchs noch weiter zu minimieren, gibt es die Möglichkeit des Heat-Soak-Tests (oder Heißlagerungstest). Dieser wird in ÖNORM EN 14179-1 Glas im Bauwesen – Heißgelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheiben-Sicherheitsglas beschrieben. Dabei wird das Glas nach dem ESG-Herstellungsprozess in einen gesonderten Heißlagerungsofen gelagert und einige Stunden auf ca. 300°C aufgeheizt.
Wenn Fremdkörper an Kritischer Stelle im Glas vorhanden sind, soll der Spontanbruch mit diesem Test ausgelöst werden. Bei Auftreten eines Glasbruches muss diese und zumindest die angrenzenden Scheiben (da durch den Glasbruch der angrenzenden Scheibe beschädigt) neu gefertigt werden. Weitere ähnliche Bezeichnungen: ESG mit HST, ESG mit Heißlagerungstest, ESG-H
Vorteile von ESG:
• Höhere mechanische Festigkeit (an den Flächen, Kantenschäden bei ESG stören das Spannungsgleichgewicht und können
Glasbruch auslösen)
• Höhere Temperaturwechselbeständigkeit
• Relativ gutmütiges Bruchverhalten
Nachteile von ESG:
• Risiko Spontanbruch (lt. ÖNORM EN 12150 selten, mit HST max. 1 Glasbruch bei 400 Tonnen ESG-Glas mit HST)
• Bei Glasbruch blitzartiges Totalversagen und durch die kleine Krümelstruktur
• keine Resttragfähigkeit
Anmerkungen:
• ESG wird fälschlicherweise als „Hartglas“ bezeichnet.
• ESG gemäß ÖNORM EN 12150 ist zu kennzeichnen; diese Kennzeichnung kann im eingebauten Zustand verdeckt sein.
• ESG wird im Automobilbau zumeist für die Seitenscheiben eingesetzt.
Weitere Informationen zu ESG und Heißlagerungstest erhalten Sie bei Ihrem Glasermeister.
Links: https://shop.austrian-standards.at
https://www.wko.at/
Michael Marte
Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger
A - 6170 Zirl